Kathrin Kilian ist seit 2021 Kanzlerin der Hochschule Kaiserslautern.
Frau Kilian, wie hat sich Ihr Einstieg in die akademische Welt gestaltet? Wie sind Sie zum Wissenschaftsmanagement gekommen? Auf welchen Wegen sind Sie Kanzlerin der Hochschule Kaiserslautern geworden?
Ich habe in Saarbrücken Erziehungswissenschaften auf Magister studiert mit den Nebenfächern Wirtschaftswissenschaften und Sozialpsychologie – weil mich diese Kombination fasziniert hat und ich eigentlich schon damals in die Organisationsentwicklung wollte, weniger in den Bereich der individuellen Entwicklung von Personen.
Nach meinem Magister habe ich an der heutigen RPTU, damals noch TU Kaiserslautern, als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Sozialwissenschaften am Lehrstuhl für Erwachsenenbildung begonnen: verschiedenste Projekte, Lehre, akademische Selbstverwaltung.
Über ein Projekt, das ich hochschulintern betreute, kam ich in Kontakt mit dem Vizepräsidenten für Studium und Lehre und wurde dort zeitweise Bologna-Referentin. Parallel zu meiner Tätigkeit am Lehrstuhl habe ich sozusagen Verwaltung mit Forschung und Lehre kombiniert – die beste Schule für eine angehende Wissenschaftsmanagerin. Mit halben Stellen war das sehr gut möglich und ich bin auf ein Umfeld getroffen, in dem es auch von beiden Seiten gewünscht war, das nötige Verständnis füreinander aufzubauen und weiterzuentwickeln. Nach dieser Zeit mit der Koordination von Lehrprojekten an der damaligen TU Kaiserslautern bin ich dann im nächsten Schritt zum Distance and Independent Studies Center gewechselt. Dort habe ich zwei Studiengänge aufgebaut, die ich bis zur Akkreditierung begleitete.
Allerdings fehlte mir dabei das große Ganze, denn mittlerweile hatte ich mich in den Organisationsentwicklungs- und Wissenschaftsmanagement-Bereich richtiggehend verliebt. So bin ich in logischer Konsequenz an die Hochschule Kaiserslautern als Referentin der Hochschulleitung gewechselt.
Die Hochschule Kaiserslautern hat einen sehr kollegialen Führungsstil auf der Leitungsebene. Ich war die Referentin für alle drei Positionen: den Vizepräsidenten, den Präsidenten und den Kanzler und habe in allen Bereichen mitgearbeitet – ganze neun Jahre, bevor ich hier Kanzlerin wurde.
Wie ging es dann weiter, Sie haben ja 2019 am Advanced Lehrgang des ZWM für erfahrene WissenschaftsmanagerInnen teilgenommen?
In den neun Jahren habe ich unter anderem den Advanced-Lehrgang beim ZWM besucht. Was mich dabei am meisten fasziniert hat, waren die Menschen, die mit mir die Ausbildung durchlaufen haben.
Der Advanced-Lehrgang hat Teilnehmende zusammengebracht und versammelt, die häufig in ihren jeweiligen Organisationen in ihrer spezifischen Funktion allein waren. Allein nicht in dem Sinn, dass wir keine Kolleginnen oder Kollegen gehabt hätten, sondern dass es die konkrete Position pro Institution eben immer nur einmal gab. Der Lehrgang eröffnete uns die Option, uns untereinander auszutauschen und zu verstehen: Auch wenn unsere Organisationen wissenschaftlich ganz unterschiedliche Schwerpunkte haben, sind doch die Themen von uns WissenschaftsmanagerInnen die gleichen. Diesen Austausch zu haben, ist unschätzbar.
Was hat aus den TeilnehmerInnen des Lehrgangs eine Gemeinschaft geformt?
Die Personen, die im Lehrgang zusammenkamen, waren alle methodisch hoch ausgebildet und sehr erfolgreich in dem, was sie taten. Sie werden keine WissenschaftsmanagerIn, wenn Sie nicht methodisch gut und menschlich hochkompatibel sind. Und Sie müssen ja dieses Laterale hinbekommen, sonst will Sie keine Führungskraft als WissenschaftsmanagerIn, denn dann machen Sie mehr kaputt, als Sie aufbauen. Sie sind verbindendes Glied in der jeweiligen Organisation. Es gibt immer ein paar Skills, die hat der eine mehr als die andere. Vor allem jedoch gibt es Erfahrungen, die man in diesem Bereich teilt, die man in einer klassischen Forschendenkarriere in dieser Ausprägung und in diesem Umfang nicht oder weniger erlebt: dass man eben auch zum Spielball werden kann und das konstruktiv austarieren muss. Das schweißt die Teilnehmenden dieses Lehrgangs, wie generell die Berufsgruppe zusammen, und macht den Austausch so ergiebig wie notwendig.
Ich habe den Lehrgang 2019 noch vor Corona absolviert, das heißt, er war noch vollständig in Präsenz und wir haben klassische gruppendynamische Prozesse durchlaufen. Wir hatten untereinander viel Austausch, sowohl im Lehrgang als auch beim gemeinsamen Abendessen – und ich habe damals meine zweite Tochter bekommen.
Im ersten Seminar war sie vier Monate alt und mein Mann reiste zusammen mit unserer großen Tochter mit, weil ich die Kleine ja nicht für vier Tage allein lassen konnte. Doch auch das war im Lehrgang möglich und hat sich eingespielt. Es war großartig, dass auch das möglich war und die TrainerInnen nicht erschraken, als da ein Säugling mit dabei war – gerade im Sinne der Karriereentwicklung für junge Mütter. Ich habe damals beim ZWM angerufen und gesagt: „Wenn das nicht möglich ist, muss ich leider stornieren“, doch dann kam von der anderen Seite einfach „Wieso soll das denn nicht möglich sein?“ Da kann ich nur ein Lob aussprechen, da hat sich das ZWM als sehr flexibel erwiesen.
Stellvertretend Dankeschön, das freut uns zu hören.
Ich schätze Online-Seminare, wenn sie mir Informationen vermitteln und diese aufbereiten, doch ich glaube, es ist ein Erfolgsgeheimnis dieses Lehrgangs, dass man sich in Präsenz trifft.
Wir treffen uns auch heute noch digital, per Videokonferenz. Mal zur Mittagspause digital, reden einfach miteinander und haben für uns als Gruppe definiert: Wer da ist, ist da und ist auch die richtige Person, denn alle bekommen wir nicht mehr unter einen Hut. Inzwischen sind wir so verstreut und haben so viele eigene Termine.
Wie ist das „Mittagessen digital“ entstanden, wer ist initiativ geworden?
Eine Teilnehmerin hat den Vorschlag gemacht, dann gab es eine Umfrage und einen Link und dann ging das so weiter mit sehr vielen, sehr guten virtuellen Treffen. Zuerst haben wir uns am Abend getroffen, sind davon aber abgekommen, weil inzwischen viele Kinder haben – so sind wir zu dieser Mittagspause gekommen.
Das passiert immer noch regelmäßig dreimal oder öfter im Jahr, doch es gibt auch für alle die Option, das einfach spontan anzustoßen.
Sehr praktisch und schön, weil dann auf der einen Seite das Ritualisierte Struktur gibt und alle auf der anderen Seite dennoch flexibel in der Termingestaltung sind und Bedarf anmelden können, wenn jemandem ein Thema auf den Nägeln brennt.
Ja, genau das: Jede und jeder kann ein digitales Mittagessen anstoßen. Aktuell besprechen wir die Idee, ob wir uns mal wieder einen ganzen Tag treffen und zu einem Thema austauschen wollen.
Fünf Jahre sind auch eine beachtliche Dauer, um eine Gruppe zusammen zu halten.
Ich glaube das Erfolgsgeheimnis ist, dass wir einen Mehrwert in den Treffen erkannten, es aber nicht erzwingen. Wenn wir damit gestartet hätten – gerade damals in Corona, dass wir uns unbedingt immer an einem Wochenende in Präsenz hätten treffen wollen und alle enttäuscht gewesen wären, dann hätte das nicht funktioniert. So ist es in Ordnung: Wer da ist, ist da, und wer sich ausklinkt, längerfristig oder ganz spontan, ist auch o.k.
Jetzt in diesen Mittagspausen kommen manche auch nur für eine halbe Stunde vorbei, aber es ist ihnen so wichtig, dass man sich wenigstens kurz dazuschaltet.
Wie sind Sie ursprünglich auf das ZWM aufmerksam geworden?
Die damalige TU Kaiserslautern ist Mitglied im ZWM und ich habe meinen ersten ZWM-Workshop noch dort absolviert. So hatte ich persönlich Kontakt mit dem ZWM. Dann über den Newsletter und außerdem war der Advanced Lehrgang meinen Vorgesetzten die Investition wert.
Ich mache heute als Kanzlerin noch verhältnismäßig viele Fortbildungen. Das ist etwas, was mir persönlich wichtig ist, aber nicht in der Intensität von damals, mit den Reisen bis nach Bremen und Eisenach.
Welche Kenntnisse und Fähigkeiten, die damals thematisiert oder vermittelt wurden, würden Sie heute als zentral sehen und können Sie auch jetzt in Ihrer Funktion noch einsetzen?
Ich bin in einer sehr, sehr spannenden Zeit in diesen Lehrgang eingestiegen.
Damals gab es diesen Umbruch vom Hochschulpakt zum Zukunftsvertrag und wir hatten im ersten Modul – da denk ich ganz häufig dran – das Thema Rechtssysteme, Hochschulgesetze und wie ordnen sich diese zur Bundesgesetzgebung ein?
Für mich war das so ein Schlüsselmoment, in dem wir gefühlt diesen Umbruch von einem alten System zu einem neuen begleiten konnten. Da waren wir, durch das Wissen des Referenten, ganz nah an den entscheidenden Diskussionen: welche Veränderungen vom Hochschulpakt zum Zukunftsvertrag verhandelt werden müssen, damit Bund und Länder eine Einigung finden konnten. Ich verstehe nicht nur das System besser, also, wie die Systeme ineinandergreifen und sich gegenseitig bedingen, sondern ich kann das System auch viel besser nach innen in meine Einrichtung erklären. Die Hochschulfinanzierung hat sich da schon strukturell geändert, vor allem auch in der Umsetzung in Rheinland-Pfalz.
Was sind Aspekte Ihrer heutigen Tätigkeit als Kanzlerin, die Ihre Augen zum Leuchten bringen?
Was mich immer wieder interessiert ist, wie Menschen mit ganz unterschiedlichen Herangehensweisen an Problemstellungen gehen und ich feststelle, wie bereichernd es ist, die Perspektive der anderen einzunehmen. Das ist einer der Punkte, die ich auch an dem Lehrgang unglaublich genossen habe, wofür ich mich heute immer noch begeistern kann und das mir auch in meiner gegenwärtigen Position sehr hilft.
Was mir bei Organisationsveränderungsprozessen eine zentrale Richtschnur ist – sowohl methodisch als auch, um mit unvermeidlichen Unsicherheiten umzugehen – ist die systemische Annahme, dass jede und jeder gewissermaßen eine eigene Wahrheit hat und lebt und deswegen auch Veränderungsprozesse ganz anders erlebt. Diese unterschiedlichen Wahrheiten anzuerkennen – wie das im Systemischen die Praxis ist – und zu einem gemeinsamen Handeln zusammenzuführen, ist für mich ein dauerhafter Teil professionellen Handelns und ein persönlicher Gewinn.
Und ein weiteres Element: die Fäden zusammenzuhalten. Wie unterschiedlich die Sicht aus der Perspektive von Administration sowie Forschung und Lehre auch sein mag, wir arbeiten an einer gemeinsamen Organisationsentwicklung und in einem gemeinsamen System und es ist schön, wenn all die Impulse sich – auch von mir – bündeln lassen – zum Gesamtwohl aller.
Empfehlen Sie selbst das ZWM Ihren MitarbeiterInnen weiter?
Das ZWM spielt eine wesentliche Rolle in unserem Weiterbildungsportfolio – vor allem neben unseren eigenen Veranstaltungen. Wir sind eine relativ kleine Hochschule und senden immer wieder Mitarbeitende, etwa ForschungsmanagerInnen und ReferentInnen zum ZWM, allerdings nicht in der Größenordnung, wie das an einer wirklich großen Universität oder Wissenschaftseinrichtung gehandhabt werden kann.
Haben Sie vielen Dank für das anregende und informative Gespräch!
Das Gespräch mit Kathrin Kilian führte Theo Hafner.